15.01.2019

Aufbruch ins Unbekannte: Brexit

Ziel: EU ohne Großbritannien

Am IW arbeiten viele Experten, die sich seit Langem, teilweise vielen Jahren mit ihrem Fachbereich beschäftigen und tagtäglich Studien, Bücher, Kommentare und aktuelle Nachrichten dazu lesen. Sie prüfen Indizes, arbeiten sich durch Datenreihen, finden Zusammenhänge und Ableitungen. Einer von ihnen ist Jürgen Matthes: Er leitet das Kompetenzfeld Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur und forscht seit 1995 am Institut.

Seit fast fünf Jahren befassen Matthes und seine Kollegen sich intensiv mit dem Brexit und mussten be son ders seit Anfang 2019 in hoher Taktung auf die sich überschlagenden Ereignisse reagieren. Denn die Briten haben sich mit ihrem Austrittsvorhaben aus der Europäischen Union in eine Ecke manövriert, aus der ihr Parlament keinen Ausweg zu finden scheint. Zu gespalten ist die Regierung, die Parteien sind es sowieso.

So lehnte das britische Unterhaus am 15. Januar einen Deal ab, den Premierministerin Theresa May in Brüssel ausgehandelt hatte. Nach einem überstandenen Misstrauensvotum stimmten die Abgeordneten am 29. Januar wiederum zu, dass May den sogenannten Backstop für die Grenze zu Nordirland mit der EU erneut verhandelt, um dann am 12. März das überarbeitete Vertragspaket doch abzulehnen. Allein in diesem Zeitraum veröffentlichte das IW zwei Studien, zwei Gastbeiträge und drei Nachrichten zu diesem Thema – wissenschaftliche, publizistische und kommunikative Höchstleistung in kurzer Zeit.

 

Ein Raster, das hilft, Ereignisse einzuordnen

„Kurzfristige Bewertungen relevanter Ereignisse und fundierte Arbeitsergebnisse in dieser Taktung wären natürlich nicht möglich, wenn wir die Materie nicht schon seit Jahren aus dem Effeff beherrschten“, sagt Jürgen Matthes. „Wir haben eine Art Raster im Kopf, das uns dabei hilft, neue Ereignisse schnell in ihrer Bedeutung zu erfassen und einzuordnen.“ Eines ist dabei klar: Die Briten werden wesentlich stärker unter dem Brexit leiden als Europa und Deutschland.

Um das vorhandene Wissen auszubauen, verfolgt Matthes zusammen mit seinem Kollegen Berthold Busch und weiteren Kollegen jeden Tag die aktuelle Diskussion, die in den Parlamenten und in der Öffentlichkeit tobt. In Matthes‘ Büro stapeln sich in offenen Schränken akribisch sortierte Papierberge, jeweils thematisch gebündelt zu aktuellen weltwirtschaftlichen Themen – für den Brexit sind es mehrere hohe Stapel. „Die Halbwertszeit der Themen wird stetig kürzer, die Lage ändert sich zuweilen schnell, gerade beim Brexit“, sagt der Ökonom. „Selbst wenn wir ständig versuchen, am Ball zu bleiben, fühlt es sich manchmal so an, als würden wir doch nur hinterherlaufen, so viel wird verlautbart und geschrieben.“

Die IW-Forschungsergebnisse stellen die Ökonomen um Jürgen Matthes meistens im Gespräch mit Journalisten vor, hin und wieder aber auch auf Veranstaltungen der britischen Botschaft, in Hintergrundgesprächen bei Think Tanks in Brüssel oder in den zuständigen Ministerien in Berlin. „Wenn beispielsweise der Leiter der Brexit-Taskforce im Auswärtigen Amt, Axel Dittmann, sich die Zeit nimmt, um sich im persönlichen Gespräch mit unseren Argumenten auseinanderzusetzen, sind das schon besondere Momente“, sagt Matthes.

 

Koordinaten
51°29′59.1″N 0°07′28.7″W
(Houses of Parliament, London),

50°56′44.6″N 6°57′47.6″E (IW)

 

Crew
Jürgen Matthes,
Leiter Kompetenzfeld
Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur

Berthold Busch,
Senior Economist für Europäische Integration

Matthias Diermeier & Markos Jung,
persönliche Referenten des IW-Direktors

Thomas Schleiermacher,
Leiter Empirie und Methoden,
IW Consult


Ka|vents|mann, der
überdurchschnittlich große Welle,
eine Form von insgesamt drei möglichen
sogenannten Monsterwellen. Kaventsmänner
können mehr als 23 Meter hoch sein,
sind besonders schnell und haben die
Kraft, Fischkutter zu versenken und
große Kreuzfahrtschiffe ernsthaft zu
beschädigen. Lange wurden sie als
Seemannsgarn abgetan. Seit 1995 ist
bekannt, dass es Kaventsmänner
tatsächlich gibt, Satellitenaufnahmen
haben ihre Existenz bewiesen. Auch der
Brexit dürfte das Ausmaß eines Kaventsmannes
haben – und Kraft genug, um den Briten
nachhaltig Schaden zuzufügen.